FÜR UNSER LAND

Gemeinsame Resolution von Rockmusikern, Liedermachern und Unterhaltungskünstlern
vom 18.09.1989


Die Resolution wird am 18.09.1989 illegal veröffentlicht und erstmals am 18.10.1989 in der Zeitung der LDPD "Der Morgen". Bis zu dieser Zeit hatten sich der Resolution über 3000 Kollegen angeschlossen.

Wir, die Unterzeichner dieses Schreibens, sind besorgt über den augenblicklichen Zustand unseres Landes, über den massenhaften Exodus vieler Altersgenossen, über die Sinnkrise dieser gesellschaftlichen Alternative und über die unerträgliche Ignoranz der Partei- und Staatsführung, die vorhandene Widersprüche bagatellisiert und an einem starren Kurs festhält. Es geht nicht um Reformen, die den Sozialismus abschaffen', sondern um Reformen, die ihn weiterhin in diesem Land möglich machen. Denn jene momentane Haltung den existierenden Widersprüchen gegenüber gefährdet ihn.

Wir begrüßen ausdrücklich, daß Bürger sich in basisdemokratisch orientierten Gruppen finden, um die Lösung der anstehenden Probleme in die eigene Hand zu nehmen. Dieses Land braucht die millionenfache Aktivierung von Individualität, die alten Strukturen sind offenbar kaum in der Lage dazu. So haben wir den Aufruf des Neuen Forums zur Kenntnis genommen und finden in dem Text vieles, was wir selber denken, und noch mehr, was der Diskussion und des Austausches wert ist. Wir hallen es für überfällig, alte Feindschaften und Vorbehalte abzubauen und zu überwinden. Es ist nun wichtig, daß der politische Wille großer Teile der interessierten Bevölkerung eine positive Entsprechung von oben' findet, da h. auch Anerkennung dieser Gruppen, ihre Tolerierung und Einbeziehung in das Gespräch und in die Gestaltung dieser Gesellschaft, wie es die Verfassung der DDR mit ihren Bestimmungen gebietet. Dieses unser Land muß endlich lernen, mit andersdenkenden Minderheiten umzugehen, vor allem dann, wenn sie vielleicht gar keine Minderheiten sind.

Das Anwachsen rechtsextremer und konservativ-nationaler Elemente auch bei uns, das Beliefern gesamtdeutscher Anschauungen ist ein Ergebnis fehlenden Reagierens auf angestaute Widersprüche und historisch unverarbeitete Tatsachen. Linke Kräfte fallen dieser Politik des Festhaltens erneut zum Opfer. Wir wollen in diesem Lande leben, und es macht uns krank, tatenlos mitansehen zu müssen, wie Versuche einer Demokratisierung, Versuche einer gesellschaftlichen Analyse kriminalisiert bzw. ignoriert werden. Wir fordern jetzt und hier sofort den öffentlichen Dialog mit allen Kräften. Wir fordern die Öffnung der Medien für diese Probleme. Wir fordern Änderung der unaushaltbaren Zustände. Wir wollen uns den vorhandenen Widersprüchen stellen, weil nur, durch ihre Lösung und nicht durch ihre Bagatellisierung ein Ausweg aus dieser Krise möglich sein wird.

Feiges Abwarten liefert gesamtdeutschen Denkern Argumente und Voraussetzungen.

Die Zeit ist reif. Wenn wir nichts unternehmen, arbeitet sie gegen uns!

ERSTUNTERZEICHNER:
Götz Berger, Rechtsanwalt; Wolfgang Berghofer, Kommunalpolitiker; Frank Beyer, Regisseur; Volker Braun, Schriftsteller; Reinhard Brühl, Militärhistoriker; Tamara Danz, Rocksängerin; Christoph Demke, Bischof; Siegrid England, Pädagogin; Bernd Gehrke, Ökonom; Sighard Gille, Maler; Stefan Heym, Schriftsteller; Uwe Jahn, Konstruktionsleiter; Gerda Jun, Ärztin/Psychotherapeutin; Dieter Klein, Politökonom; Günter Krusche, Generalsuperintendent; Brigitte Lebentrau, Biologin; Bernd P. Löwe, Friedensforscher; Thomas Montag, Mediziner; Andreas Pella, Bauingenieur; Sebastian Pflugbeil, Physiker, Ulrike Poppe, Hausfrau; Martin Schmidt, Ökonom; Friedrich Schorlemmer, Pfarrer; Andree Türpe, Philosoph; Jutta Wachowiak, Schauspielerin; Heinz Warzecha, Generaldirektor; Konrad Weiss, Filmemacher; Angela Wintgen, Zahnärztin; Christa Wolf, Schriftstellerin; Ingeborg Graße, Krankenschwester